Abenteuer Torneträsk

Vor Beginn der Tour sind wir, noch am Mittwoch, wenige Stunden nach Ausgabe der Zeugnisse ziemlich schnell in drei Tagen über Orrefors (Gläser kaufen), Stockholm (Stau), Sundsvall (Zahnarzt) bis Kiruna angereist. Dann sind wir am Sonntag in Kiruna, haben plötzlich zuviel Zeit, und überall herrscht „tote Hose“. So entschließen wir uns, sehr zu unserem späteren Bedauern, auf das Mieten eines Telefons zu verzichten und gleich bis Abisko weiterzufahren.

Beginn am Montag, dem 23.6.1997

Nachdem unser Auto auf einem bewachten Park-/Campingplatz verstaut ist, die Boote abgeladen und bepackt sind, starten wir um 14 Uhr. Vorher haben wir uns überlegt, dass unsere Tour höchstens zwei Wochen dauern wird und haben daher eine Menge Lebensmittel im Auto gelassen. (Immer noch viel zu wenig, wie sich später zeigen wird.)

Wir haben Glück, nach gestrigem Regentag ist heute schönes Wetter und ganz leichter Rückenwind, der später völlig einschläft. (Also ist wieder nichts mit meinem selbstgebastelten Segel, das ich noch kurz vor unserer Abfahrt aus Berlin auf der Nähmaschine im Rohbau zusammengezimmert und dann während der vielen Autofahrstunden per Hand ganz fertiggenäht habe.)  

       

Wir wollen die ersten beiden Touren aus unserer Fahrtenbeschreibung zusammenfassen und in einer Hütte ganz am Nordwestzipfel des Sees übernachten. Aber als wir um die letzte Landzunge des (wunder- schönen) Sees biegen, erkennen wir, dass dies nicht möglich sein wird. Thomas’ scherzhafte Prophezeiung, wir würden Eisschollen auf dem See finden, ist eingetroffen. Vorher schon haben wir bemerkt, dass es immer kälter wird und die Schneefelder am Ufer sich immer weiter ausdehnen. Jetzt sehen wir, dass der hintere Teil des Sees völlig zugefroren ist und uns Eisschollen  entgegen treiben. Unmöglich durchzukommen. Thomas wagt sich ganz weit an die Eisgrenze, um Fotos zu machen. Ich bekomme richtig Angst und drehe ab, zur Nordseite des Sees.  

  

Ein Stückchen weiter finden wir endlich eine Stelle, an der wir mit den Booten anlegen können: ein schmaler Streifen zwischen (eiskaltem) See und 20cm dicker Schneedecke. So hatten wir uns unsere erste Übernachtung nicht vorgestellt.

Eine Routine entwickelt sich, wir entladen die Boote. Thomas sucht Holz für ein Lagerfeuer, ich baue das Zelt auf und fange an, Mittag zu kochen, Pellkartoffeln mit Quark. Das Dreibein, das wir in Berlin gebaut haben, um manchmal Brennspiritus für den Kocher zu sparen(3 Aluzeltstangen an einer Scheibe mit Kette) funktioniert prächtig. Wir können über dem offenen Feuer kochen. Nach einer reichlichen Portion unseres mitgebrachten Weißweins aus dem Schlauch gehen wir schlafen.

Dienstag, der 24.6.

Wir wachen bei strahlendem Sonnenschein auf, frühstücken die Reste unseres Berliner Brots und steigen in die Boote.  Mich begeistert die enorme Klarheit des Wassers, meterweit kann man genau alle Steine und Felsen deutlich erkennen. Einen Felsen, der direkt unter der Wasseroberfläche zu liegen scheint, erreiche ich mit meinem 2,30 m langen Paddel gar nicht. Wir loten zwar nie die Sichttiefe aus, aber es müssen bestimmt 15 -20m sein, und so weit würde mein Seil sowieso nicht reichen. Thomas, dem diese klare Sicht eher unheimlich ist, drängt mich, mit den Spielereien aufzuhören und lieber weiterzupaddeln.

Schon wieder haben wir leichten Rückenwind, ich kann sogar segeln. Es geht etwas langsam, aber sonst ganz gut. Thomas will sich lieber selbst bewegen. Nach und nach frischt der Wind auf, die Wellen nehmen zu und uns verfolgt eine Wolkenwand. Nur gut, dass er von hinten kommt! Trotzdem ist es reichlich schwierig und gefährlich bei so hohen Wellen: Zu dicht am Ufer darf man nicht fahren , weil man sonst auf die Steine und Felsen kracht, die dicht unter der Wasseroberfläche liegen. Andererseits dürfen wir uns auch nicht zu weit vom Ufer entfernt halten. Da das Wasser, wie wir mit unserem nagelneuen Badethermometer messen, nur 3°C hat, ist Kentern wirklich gefährlich. Das macht uns doch ganz schön nervös.

Unsere Mittagsrast halten wir in einer Kiesbucht (ich muss mal wieder dringend aufs Klo). Beim Aussteigen werden wir beide kräftig nass, weil die Wellen ins Boot schwappen. Wir wollen unsere Reste verbrauchen und machen uns Tomatenquark. Alles dicht am Lagerfeuer, schon um uns einigermaßen zu wärmen. Bald fahren wir weiter. Nach zwei Stunden fangen wir dringend an, uns einen Rastplatz zu suchen. Ich bin kaputt, die Wellen werden immer höher, doch die windgeschützten Buchten, die wir nach Karte aufsuchen wollen, sind durch Kiesbarrieren versperrt. Endlich finde ich eine, die, kaum erkennbar, einen schmalen Durchschlupf bietet.

Müde, entnervt und verfroren finden wir eine schöne, enge Mulde, die gerade für uns und unseren Kram reicht. Wieder Aufbau, Lagerfeuer, Mittagessen, diesmal mit leckeren Steaks und Bratkartoffeln, die mir aber nicht recht schmecken, weil ich viel zu erschöpft bin.

... und dann probieren wir den Jagertee (aus Österreich extra zu diesem Zweck mitgebracht) und unterschätzen doch ziemlich dessen Wirkung. Als wir schlafen gehen, ist Thomas reichlich knülle, mir geht es auch nicht viel besser. Todmüde fallen wir in die Betten, und ich schlafe lange bis 11 Uhr morgens. (Thomas sagt,  er sei um 8 Uhr aufgewacht und habe mit seiner Gesundheit gekämpft!)

Mittwoch, der 25.6.

In diesem Tag ist der Wurm drin. Ich wache schon mit Kopfschmerzen auf. Das Frühstück aus Müsli mit Milchpulver ist ganz gelungen, dann folgt die Zeltabbauroutine. Ich frage mich, was das ganze soll: nur Arbeit und Anstrengung und das freiwillig in meinen Ferien. Außerdem ist es immer reichlich kalt. Eigentlich friere ich ständig irgendwo, obwohl es nicht einmal in der Nacht geregnet hat.

Als wir starten, ist der See spiegelglatt, eher herrscht leichter Gegenwind, später wird es dann mal wieder ein recht kräftiger Westwind. Wir sind nervös, denn heute soll die Überfahrt, 3 km über den offenen See passieren. Einerseits sind wir froh, wieder auf die „zivilisierte“ Seite zurückzukehren, andererseits haben wir Angst vor der Strecke, denn wir sind gewarnt worden, dass sich auf dem See viel zu schnell meterhohe Wellen auftürmen können. Kentert man in der Mitte, hat man eigentlich wenig Chancen, das zu überleben.

Mit dem nun schon gewohnten Eiertanz tasten wir uns, die Buchten doch recht gründlich ausfahrend, bis zu dem Berg auf der Landzunge vor, von wo aus wir die Überfahrt wagen wollen. Zumindest darin sind wir uns einig: bei diesem Wind geht das nicht. Auf der Suche nach einem geeigneten Lagerplatz umrunden wir den Berg. Auf dessen Rückseite finden wir endlich eine halbwegs passable Stelle zum Aussteigen.

Dort machen wir (natürlich wieder mit Lagerfeuer) eine Stunde Rast, bis der See sich etwas beruhigt zu haben scheint.

Frisch ausgeruht und gestärkt brechen wir auf. Erst fahren wir langsam los, gegen Mitte des Sees hin paddeln wir, was das Zeug hält (bzw. was meine Kräfte eben hergeben. Thomas hält sich dicht bei mir und wird bloß sauer, als ich bei dem atemberaubend schönen Blick nach Westen anhalten und fotografieren möchte. Geduldig wie er ist, wartet er dann aber doch auf mich.  

Endlich sind wir drüben, erleichtert suchen wir uns eine Stelle zum Zelten. Den Platz von Gallei/Bicysko (unsern Vorbildern) finden wir wieder mal nicht, und so dauert es noch eine ganze Weile und einige vergebliche Aussteigeversuche (sowie einen nassen linken Schuh von mir) bis wir endlich ein akzeptables Plätzchen entdecken.

Zum Essen gibt es eine hervorragende frische Gemüsesuppe mit Nudeln, die wieder mal über dem Dreibein gekocht wird. Leider kracht, als die Suppe fast fertig ist, das Dreibein zusammen, meine selbstgebohrte Scheibe im Miniformat zeigt sich den Belastungen nicht gewachsen, und der Topf fällt ins Feuer.

 

Thomas’ lakonischer Kommentar: „Hätten Sie vorher in die „gelben Seiten“ geguckt...“. Glücklicherweise kann ich den Großteil der Suppe retten . Gemüsestücke sammeln wir aus dem Feuer und tun sie etwas abgespült wieder ins Essen. Es schmeckt trotzdem ganz prima und wir werden immer noch satt. Mit einer maßvollen Menge Weißwein stoßen wir auf unsere gelungene Überfahrt an.

Donnerstag, der 26.6.

Der nächste Tag fängt schon gut an. Mir geht es prächtig, es ist sonnig warm und nur etwas windig. Für das Rührei zum Frühstück opfern wir unsere vorletzten Eier, mit Speck haben wir uns sowieso reichlich versehen. Danach wieder abbauen, packen und dann geht es los. Wir fahren erst einmal in Richtung Südufer des Sees (der Übernachtungsplatz lag ja auf einer Landzunge) und Straße. Die Zivilisation hat uns wieder.

Beim Abschneiden einer Kurve geraten wir doch wieder auf ziemlich offenes Wasser und stellen fest, dass die Wellen gefährlich hoch sind.  Es weht wieder schräg von hinten. Fährt man dabei nämlich die Buchten gewissenhaft aus hat man im Auslauf der Kurve den Wind genau von der Seite und kommt erst recht ins Schaukeln. Etwas beunruhigt und sehr konzentriert halten wir uns doch weiter am  Ufer  und  kommen  schließlich  im  Ort  Stenbacken an. Nach Tagen wieder sehen wir die ersten Menschen am Ufer stehen und legen an, weil wir mal schauen wollen, ob es nicht eine Telefonzelle gibt, von wo aus wir Henning in Berlin anrufen können.

Ein ausgedehnter Spaziergang bis zum Bahnhof hinauf zeitigt keinen Erfolg, der Ort ist doch viel zu klein, nur schwedische „Sommarställets“. Schnell steigen wir ein und fahren wieder weiter. Weil wir denken, der Wind hat sich etwas gelegt, schneiden wir wieder mal eine Bucht etwas zu weit ab. Dabei komme sogar ich (der die Wellen sonst nicht soviel ausmachen) kräftig ins Kippeln und muss zugeben, dass der Wind sich eher gesteigert hat. Von nun an bleiben wir uns dicht am Ufer, von wo aus wir die vielen winzigen Sommer- oder Winterwellblechhütten der Samen am Südufer des Sees beobachten können.

Recht  bald  merken  wir, dass es  bei  dem  Wind nicht weiter geht und suchen uns schon gegen 15  Uhr ein Plätzchen zum Lagern. Der Ausstieg ist schwierig, aber der Platz sonst wegen seiner geschützten Lage und der warmen Sonne herrlich. Nach dem Aufbau machen wir eine Mittagsleseruhe im Zelt. Ich genieße den zwangsweisen halben Ruhetag, und auch Thomas ist gutgelaunt. Zum Mittag kochen wir (diesmal auf Trangia) einen unserer schnellen Kartoffel-Hüttensnacks aus der Tüte. Abends liest Thomas im Sitzen noch ein wenig im Zelt (um genug Licht zu haben). Der kurze Paddeltag war herrlich, hoffentlich kommen wir dann morgen weiter! (oder nicht?)

Freitag, der 27. 6. Midnight Special

Schon beim Aufwachen merken wir, dass sich der Wind überhaupt nicht gelegt hat. Es ist viel zu windig, um weiterzufahren.  So  beschließen wir einhellig, notfalls bis zum Abend zu warten und erst dann gegebenenfalls loszupaddeln.  

Nach dem Müsli-Frühstück beginnt ein schöner fauler Tag. Ich setze einen Teig an, denn wir wollen ausprobieren, wie es mit dem Brotbacken im Topf über dem offenen Feuer klappt. Thomas sammelt, sägt und spaltet Holz, um auch die nachfolgenden Generationen mit Feuerholz zu versorgen. Endlich ist der Teig im Topf. Ich bin enorm gespannt, aber auch ganz schön skeptisch. Thomas  bekommt  ein  wenig  Brotteig  ab, das er auf frühsteinzeitliche Weise auf einen Stein dicht am Feuer klatscht. Ich fange, während das Brot bäckt, endlich an, mein Reisetagebuch zu schreiben. Nachdem das Brot nach einer halben Stunde mühsam gewendet wurde, ist es dann endlich fertig, erstaunlich gut gelungen  und  wir verputzen einen Großteil noch warm mit Butter und Tee.

Nach und nach scheint der Wind sich zu beruhigen, es ist immer noch strahlender Sonnenschein und, wie Thomas P. sagen würde, „eine Sicht bis zum Anschlag“. Gösta beschreibt es schlicht und einfach mit „Norrland Vädder“. Und so packen wir unsere Siebensachen (ein paar mehr sind es wohl doch)  und legen gegen 18 Uhr ab.

Etwa  20 km Wegstrecke liegen vor uns bis zum Beginn des Torneälv. Obwohl der Wind lange nicht so ruhig ist, wie wir gedacht hatten, geht die Fahrt und damit unser Abschied vom Torneträsk reibungslos und idyllisch vonstatten.

Gegen 23 Uhr kommen wir an und besichtigen gleich die WW5, die Einmündung des Torneträsk in den -älv, die sich mit kräftigem Donnern angekündigt hat.

Es ist klar: so etwas können wir auf keinen Fall fahren. Nun bauen wir schnell unsere Zelte auf, essen eine schnelle Tütensuppe und gehen diesmal ohne Lagerfeuer (!!!) gegen halbeins ins Bett. Nachdem wir etwas gelesen haben, können wir endlich um 1 Uhr Sommerzeit = 24 Uhr Normalzeit eine strahlende Mitternachtssonne knapp über dem Horizont bestaunen und fotografieren.

Samstag, der 28.6.

Gemütliches ausschlafen, lesen, faulenzen. Nur die Mücken, die, seit es wärmer wurde, deutlich zugenommen haben, stören unser Frühstück und nerven uns. So sehen wir zu, dass wir, zum Teil mit Hilfe des Bootswagens, die 50 - 100 m lange Portage über hügeliges und nachher sumpfiges Gelände hinter uns bringen. Nach 1,5 km kommt unsere erste WW2, eine leichte Verengung des sonst doch sehr breiten Torneälv. Wir meistern sie schnell und ganz souverän.

Die 8 km bis zur nächsten WW3, bei der wir rasten wollen, verlaufen (schon wieder mal mit leichtem Rückenwind) ruhig und gemütlich.

Zwischendurch ist Thomas sogar so geduldig, mich eine Strecke segeln zu lassen. Es bringt aber nicht viel, weil ich kaum vorankomme.

An der Verengung des Sees legen wir rechtzeitig an und schauen uns die WW3 an. Allein das Stück Strecke bis zur Stromschnelle ist schrecklich. Es gibt nämlich keinerlei Weg, bewachsene und unbewachsene, meterhohe Felsen liegen wahllos durcheinander. Durchfahren wäre doch etwas zu gefährlich, die ca. 100 m umtragen enorm anstrengend. Wir beide sind uns nicht einig: ich bin dafür zu fahren, er ist fürs Umtragen. Nach längerer erbitterter Diskussion und nochmaliger Begutachtung der Schnelle gebe ich nach.

Wir machen uns an die mühsame Aufgabe, die schweren Boote aus dem Wasser zu hieven, zu entladen und dann irgendwie durch das Geröll zu schleppen. Mit unseren Tragegurten geht es dann etwas einfacher, als ich gedacht habe. Trotzdem bin ich ganz k.o., als wir endlich fertig sind und mir graut schon vor der 2,5 km langen Strecke morgen. Es ist übrigens gar nicht so leicht, in diesem Gewirr von Felsen eine ausreichend große Fläche zum Aufbau des Zelts zu finden, die auch nur leidlich eben ist.

Außerdem sind die Mücken eine gewaltige Plage. Sie umschwirren einen zu Hunderten und stechen, wohin sie können, auch durch Hosen, dicke Socken und Pullis hindurch.

Sogar der sonst so eiserne Thomas greift zum Autan. Beim Essenmachen am Lagerfeuer (Irish Stew) werde ich völlig zerstochen und gerate trotz Autan und Imkernetz über dem Kopf wirklich fast in Panik. Da gehe ich in Zukunft lieber gleich ins Zelt und verzichte auf meine warme Mahlzeit. Thomas bleibt gelassener. Es meint, so etwas gehöre eben dazu. Na, ich weiß nicht, für mich jedenfalls nicht! Wir machen den Weißwein leer und gehen dann zeitig ins Zelt. Ein Glück, dass das absolut mückendicht ist. Auch heute wieder schlafen wir beim Rauschen der Stromschnelle ein.

Sonntag, der 29.6.

Der nächste Tag bringt uns all das, wovon wir vorher verschont blieben. Am schlimmsten ist der Gegenwind. Ein kräftiger Wind weht uns genau von vorn entgegen. Und damit werden die etwa 8 km, die wir vorhaben, zu einer echten Quälerei. Ich empfinde das Paddeln als etwa 3 - 4 mal so schwer wie sonst. Dabei kann man keine Pause einlegen, weil man sonst sofort zurückgetrieben wird. So hangeln wir uns von Insel zu Insel und von „Hörnchen“ zu „Hörnchen“, um uns wenigstens im dürftigen Windschatten ein bisschen zu erholen. Später kommt noch leichter Regen hinzu, der das Ganze auch nicht leichter und angenehmer macht.

Unseren Plan, heute noch ein Stück der großen Portage zu bewältigen, gebe ich ganz schnell auf. „Heute schleppe ich die Boote keinen Meter mehr!“, mache ich Thomas ein für alle Mal klar, nicht ganz zu recht, wie sich später zeigen wird. Ich bin völlig geschafft und froh, als wir endlich auf die Bucht zulaufen, hinter der unser heutiger Lagerplatz liegen soll: der Beginn der 2,5 km langen Landportage. Glücklicherweise ist dessen Beginn, der „Scooterled“ schon von weitem durch ein querliegendes rotes Kreuz zu erkennen. 

Als wir näher kommen, sehen wir, dass genau in der Zufahrt ein ca. 300 qm großes Feld von Steinen im Weg liegt. Klar, im Winter, wenn alles unter einer Schnee- und Eisdecke liegt, macht das nichts aus. Wir aber müssen uns einen seitlichen Ausstiegsplatz und all unsere Sachen über eine Strecke von mindestens 100 m bis zum Beginn des „Weges“ wieder einmal durch den Urwald schleppen. Na, darin haben wir ja nun schon Übung. Die Mückenplage ist enorm. Selbst mit Autan umschwirren uns Tausende von Mücken. Wir schauen uns natürlich auch gleich den Weg an, den wir morgen nehmen müssen. Er ist vielleicht etwas offener und ebener als völliger Urwald, aber es gibt halt keinerlei Weg. Dieses unebene und teilweise sumpfige Gelände dürfte kaum leicht zu bewältigen sein. Wir bauen erst einmal unser Zelt auf. Als wir damit fertig sind, fängt es auch noch an zu regnen. Wir verkriechen uns im Zelt (es ist etwa halbfünf) und verzichten für heute auf ein warmes Mittagessen, denn im Regen zu kochen habe ich, müde und erschöpft wie ich bin, keine Lust. So begnügen wir uns mit dem, was die rote Tasche hergibt und verbringen den Rest des Tages mit Lesen. Als Thomas zum Pinkeln aus dem Zelt geht, zerstechen die Mücken seine Beine, und ich behandle seine ca. 30 Stiche mit den Resten aus der Systraltube.

Montag, der 30.6.

Wie soll man so einen Tag beschreiben?! Er ist genauso schrecklich, wie wir befürchtet hatten. Unsere erste Fuhre unternehmen wir mit dem halbleeren roten Boot. Der Bootswagen, den wir zunächst mühsam und sorgfältig angebaut haben, erweist sich bald als Hemmschuh. Wir nehmen ihn wieder ab und ziehen mit Gurten, wie Ochsen im Gespann, das Boot über Heidekraut, kleinere Sträucher und Moos . Nach wenigen Metern bin ich jeweils so erschöpft, dass ich eine Pause brauche.

Besonders gemein sind auch die Mücken, die einen wirklich in dichten Wolken umschwirren. Trotz Autan stechen sie uns oder werden  verschluckt,  gerade  dann,   wenn man etwas tragen muss und die Hände nicht frei hat. Ich benutze häufig das Mückennetz auf dem Kopf. Das hat aber den Nachteil, dass man weniger Luft bekommt und einen die Mücken, die unter das Netz geraten, besonders heimtückisch in Gesicht, Kopfhaut und Ohren stechen. Am nächsten Tag habe ich deshalb ein kräftig verschwollenes Auge.  

Zwischendurch gibt es so steinige Passagen, dass die Boote richtig getragen werden müssen. Am liebsten würden wir umkehren. Aber es gibt ja keine Wahl. Wir verfluchen jedes einzelne Gramm Gepäck, das wir zuviel mitgeschleppt haben.

 

Zum Glück sehen wir ungefähr auf halber Strecke zwei kleine längliche Seen, auf denen wir die Boote natürlich sofort beladen und so zumindest etwa 500 m sparen können. Irgendwie behalten wir die Fassung und manchmal auch den Humor. Als ich gerade dabei bin, völlig verschwitzt und erschöpft  zwei Gepäcksäcke von einem See zum anderen zu schleppen, kommt mir Thomas entgegen, der schon wieder auf dem Rückweg ist. Er ruft mir zu: “Grüß Gott, junge Frau, wo ist denn hier das Wirtshaus?“

Mir hilft da ein kleiner Scherz mehr, als vieles Klagen und Bedauern.

Nach dem See haben wir nur noch etwa 800 m vor uns. Die Strapazen werden absehbar. Wir schleppen die Sachen und die Boote noch die Hälfte der Strecke durch den Sumpf. (Wobei wir feststellen, dass es am einfachsten ist, die Boote durch den tiefsten Sumpf zu ziehen, selbst wenn man da manchmal bis zu den Knien durchs Wasser watet.) Dann bauen wir das Zelt auf, verzichten mal wieder auf eine warme Mahlzeit und erholen und ganz langsam von unserer Plackerei.

Dienstag, der 1.7.

Endlich, der letzte Tag!

Heute sehen die Aussichten doch viel rosiger aus. Wir müssen nur noch die Kajaks und ein paar Sachen nach unten zum Wasser bringen. Lieb wie er ist, trägt Thomas schon etliches Gepäck allein nach unten, während ich das Zelt zusammenräume. Langsam entwickeln wir beim Ziehen der Boote so etwas wie Routine, und nach eineinhalb Stunden sind wir mit Sack und Pack an der Einsatzstelle des Torneälv angelangt. „Jetzt haben wir nur noch 8 km Paddeln vor uns ,“ tröstet mich  Thomas, und das heute wieder mit Rückenwind, der recht kräftig bläst und uns gut voranbringt.

Mit Hilfe der Karte lotst er uns durch die diversen Inseln und Flussarme.

Dabei muss aber gesagt werden, dass der Torneälv meist so breit wie ein See ist und fast immer keine merkbare Strömung hat. Allerdings erweisen sich die von Thomas vorhergesagten 8 km als ziemliche Gummikilometer. Da er (nicht ganz zum ersten Mal) die Karte falsch interpretierte und mir vielleicht auch Mut machen wollte, werden es zu meinem deutlichen Missvergnügen schließlich gute 25 km.  

Durch den Rückenwind kommen wir aber gut vorwärts. Wir legen nicht mal eine Mittagspause ein. An dem Ufer, an das wir uns bei den hohen Wellen halten müssen, stehen  jetzt ziemlich viele Sommarställets, und wir könnten wohl nicht einmal ein Lagerfeuer machen. So sehen wir schon bald die Brücke bei Laxforsen, dicht bei Jukkasjärvi, immer größer werden. Der Brückenschwall kurz davor macht und noch einmal viel Spaß, wobei Thomas sich fast quer stellt und damit zu guter Letzt beinahe doch noch gekentert wäre. Aber alles geht glatt. Der Zeltplatz ist deutlich zu erkennen, wir legen stolz und zufrieden an und richten uns bald auf einem Stellplatz ein. Dort werden wir dann auch mit dem Wohnmobil stehen können. Noch vor dem Auspacken stellt Thomas die Sauna an, die man kostenlos benutzen kann. (Offenbar sind wir zwei in eine Hochburg der Sauna-Kultur geraten.

Der Prospekt des immerhin doch recht kleinen Ortes  weist nicht nur die Campingplatzsauna, sondern auch noch eine Luxus-, Rauch-, Dampf- und sogar eine Floßsauna aus.)

Und dann machen wir zwei Saunagänge, entspannen uns herrlich und waschen uns den 10tägigen Schmutz der Wildnis vom Körper. Es ist eigentlich klar, dass wir bei 3 Grad Wassertemperatur notgedrungen wie die Ferkel gelebt haben und, da wir meist die gleiche wetter- und mückenerprobte Kleidung trugen, nach ungezählten Lagerfeuern auch entsprechend riechen.

So sind wir, wieder ganz sauber und einigermaßen zivilisiert mit den saubersten Sachen aus unseren Taschen gekleidet. Wir wollen ins Wirtshaus gegenüber gehen, denn wir haben gehört, dass man dort samisch, bzw. mit samischen Zutaten kocht. Und wir finden, dass wir wirklich verdient haben, es uns mal wieder richtig gut gehen zu lassen.

Und das Essen wird richtig gut!!! Schon an der Tür sehen wir die Gourmet-Empfehlungen vieler Jahre. Der lange Speisesaal ist gepflegt eingerichtet. (Nur meine rosa Latschen wollen nicht so recht dazu passen.) Der freundliche und aufgeschlossene Kellner weist uns Plätze zu und bringt uns die Karte.

Die Preise sind nicht gerade billig, aber für schwedische Verhältnisse in Ordnung. Thomas und ich bestellen Renntierfilet, das unglaublich zart und köstlich ist, mit Preiselbeeren und einer raffinierten Sauce. Die Gemüsepastete mit einem Hauch Meerrettich, die dazu gereicht wird, ist ebenso exzellent. So ein Essen würde sich auch in einem sehr feinen Berliner Restaurant sehen lassen können.  Wir sind ganz begeistert und lassen uns auch das knusprige Knäckebrot schmecken, das man dazubekommt. Zum Nachtisch gibt es noch ein leckeres Hjortronparfait und zum krönenden Abschluss eine Tasse Kaffee. Ich verzichte sogar auf die Schokoladentaler, um mir den wunderbaren Nachgeschmack nicht zu verderben. Auf so ein Essen habe ich nie zu hoffen gewagt (besonders in Schweden!), aber es ist genau das, was uns jetzt gut tut.

Alles in allem ist dies ein wundervoller Abschluss einer anstrengenden, aber auch sehr schönen und gelungenen Tour, auf deren glückliche Beendigung wir abends im Zelt noch mit einem letzten Becher Jagertee anstoßen.

Abenteuer Torneträsk

Teil 2 (Thomas)

Freitag, 05.07.1997

Während wir uns noch in Jukkasjärvi erholten, schlug Sigrid vor, eine Wanderung im Abisko-Nationalpark zu machen. Die Idee kam an. Ich machte aber den Fehler, eine Zweitagestour vorzuschlagen. In Kiruna fragten wir im Touristenbüro, ob man in Abisko Rucksäcke ausleihen könne. „Man kann“, war die Antwort.

In Abisko angekommen, erkundigten wir uns nach einer passenden Tour. „Kårsavagge“ sollte unser Ziel heißen. Am nächsten Morgen borgten wir die Rucksäcke, packten diese - diesmal nur das Allernötigste, sie wogen 7,5 und 6 kg - und machten uns auf den Weg. Die Sonne schien, und bald begannen wir, unter unserer Last zu schwitzen. Der Weg war leicht bergig, und anfangs waren die Feuchtstellen (Bäche) mit Stegen versehen. Wir genossen das schöne Wetter, die vielen Blumen und die schöne Aussicht. Mit Elchfleisch und frischem Wasser aus Sigrids neuem Holzbecher stärkten wir uns. Als wir am südlichen Ende des Nationalparks angekommen waren, wurden die Wege matschiger. Es gab keine Holzstege mehr, und wir mussten zum Teil recht lange Umwege machen, um trocknen Fußes vorwärts zu kommen. Langsam wurde das Wetter schlechter, und die Rucksäcke immer schwerer. Als wir zwei Dänen trafen, berichten sie uns, es würde noch eine Stunde bis zur Kårsavaggehütte sein, aber sehr feucht.

Was das bedeutete merkten wir, als wir wieder einmal vor einem breiten Bergbach standen. Nach einigen Versuchen, mit trocknen Füßen über den Bach zu kommen, gaben wir auf, also mitten durch.  Ab nun suchten wir nicht mehr schmale sondern breite und flache Stellen im Flussbett. Die nassen Schuhe und Strümpfe machten auch nichts mehr, denn es hatte angefangen zu regnen. Beim Laufen durch Büsche und Sträucher wurden wir immer nasser.

Nach sechs Stunden sahen wir die Hütte, überquerten noch zwei Schneefelder, erreichten die Hütte und stellten glücklich fest, dass sie nicht abgeschlossen war. Während Sigrid unsere Schlafsäcke auspackte und das Essen vorbereitete, ging ich erst einmal Holzsägen und -hacken. Sigrid meinte wieder einmal: „Brennholz für eine ganze Woche“. Man weiß ja nie! Unterdessen fegte und wischte Sigrid zunächst die gute Stube.

Als das Feuer richtig in dem kleinen Ofen brannte, wurde heißes Wasser aufgesetzt und anschließend ein schmackhafter Hüttensnack mit Kaminwurzen zubereitet. Nach der überstandenen Anstrengung schmeckte es wieder einmal hervorragend. Wir tranken noch einige Becher Jagertee, hatten bald die nötige Bettschwere erreicht und schliefen fest in unserer Hütte.

Samstag, 06.07.1997

Am nächsten Morgen regnete es immer noch. Wenn man bedenkt, dass dieser Nationalpark u.a. wegen der sensationell geringen Niederschlagsmengen berühmt sein soll, schienen wir die einzigen beiden Regentage des Jahres erwischt zu haben. Wir hatten beide schlecht geschlafen, weil es nicht unsere Betten waren, und weil ich viel zu gut eingeheizt hatte. In der Hoffnung, dass das Wetter sich bessern könnte, ließen wir  es langsam angehen. Ein gutes Müsli sollte uns die nötige Kraft verschaffen.

Das Wetter besserte sich nicht. Es half also nichts, Sachen einpacken, rein in die nassen Schuhe und auf ging es.

Heute machten wir uns nicht mehr so viele Sorgen wegen der nassen Füße und der schlammigen Wege. Wir gingen immer geradeaus. Da auch alle Pflanzen voller Wasser waren, waren wir bald bis zu Hüfte nass.

Als wir den Beginn des Nationalparks erreichten, waren wir mehr als eine Stunde schneller als auf dem Hinweg. Dort entschlossen wir uns, dem Rat des Verkäufers im Touristenzentrum  zu folgen und am Flussufer zurückzuwandern. Wir wurden mit tollen Wildwasserstufen und Wasserfällen belohnt.

Dafür gab es noch mehr Büsche und nasse Sträucher. Plötzlich sah ich einen Renntierschädel mit halbem Geweih. Wir sägten das Geweih ab und nahmen es mit. Immer wieder verloren wir unseren Trail. Sigrid bekam große Probleme mit ihrem Knie. Jeder Schritt verursachte ihr erhebliche Schmerzen. Auch die Mücken meldeten sich zurück.

Als wir einen richtigen Weg mit Wegweiser fanden, atmeten wir sichtlich auf. Nach fünfeinhalb Stunden erreichten wir vollkommen durchnässt, aber glücklich unser Ziel. Meine nasse, kaputte Hose entsorgte ich direkt im Container. Eine heiße Sauna im Touristenzentrum und eine gute Flasche Wein waren unsere ersehnte Belohnung. Wir aßen noch Nudeln mit Tomatensoße, lasen ein bisschen und schliefen erschöpft ein.

Reiseüberblick

Mi,

18.6.

Fähre nach Schweden

Do,

19.6.

Kleiner Badeplatz hinter Sundsvall

Fr,

20.6.

Midsommarafton am Polarkreis (Badeplatz)

Sa,

21.6.

Kiruna - Parkplatz an der Straße Kurravara

So,

22.6.

Abisko vor ICA Lapporten

Mo,

23.6. - 30 6.

Kajaktour auf Torneträsk und -älv

Di,

1.7. 

Jukasjärvi (Zelt)

Mi,

2.7.

Jukasjärvi (Bil)

Do,

3.7.

Abiskostouriststation

Fr,

4.7.

Kårsavagge-Hütte

Sa,

5.7.

Abiskostouriststation

So,

6.7.

Lödingen - Norwegen/Lofoten (am Hafen)

Mo,

7.7.

Andenes (Parkplatz - Norspitze Västerålen)

Di,

8.7.

Sortland (Rastplatz - Västerålen)

Mi,

9.7.

bei Mo i Rana

Do,

10.7.

Südlich von Mo i Rana an Schule - Kajaktagestour

Fr,

11.7.

Südlich von Steinkjer (Tolle Aussicht)

Sa.

12.7.

Mattmar bei Åda und Kerstin

So,

13.7.

Mattmar Campinplatz - Ankunft Gösta und Inger

Mo,

14.07

Mattmar Besuch bei Trangia

Di,

15.7.

Dammån - Paddeltour

Mi,

16.7.

Mattmar - Fahrt zum Fjällhalsen und Besteigung des Västfjellet mit Inger

Do,

17.7.

Fjällhalsen - Abschied von Gösta und Inger

Fr,

18.7.

Badeplatz bei Råby in Värmland

Sa,

19.7.

Lindberg bei Varberg (Mia Singstrand)

So,

20.7. - 21.7.

Falkenberg Camping mit Johann, Diana und Kindern

Di,

22.7.

SagaStar - Trelleborg - Rostock

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